„Ein Denkmal hat sich Göthe selbst gesetzt“: Heine über Goethe und Frankfurt

Goethe-Denkmal von Ludwig Schwanthaler aus dem Jahr 1844. Foto: SP

Vor 200 Jahren gründeten die Frankfurter Bürger zu Ehren des 70. Geburtstages von Johann Wolfgang von Goethe am 28. August 1819 einen Denkmalverein. Die Handelsmetropole Frankfurt sollte vom Weltruhm Goethes „profitieren“. Geplant war ein Rundtempel mit Goethes Büste auf der Maininsel. Doch die Monumentalität der Anlage schreckte Goethe ab und schien für einen noch lebenden und produktiven Dichter unpassend. Die Pläne gerieten 1821 ins Stocken und scheiterten 1826 endgültig. Der junge Heinrich Heine machte sich in seinen „Briefen aus Berlin“ über diesen Vorgang lustig.

Der 25jährige Heinrich Heine veröffentlichte zu der pikanten Angelegenheit einen kritisch-witzigen Kommentar. Am 16. März 1822 wandte er sich in seinen „Briefen aus Berlin“ gegen die Denkmalspläne der Frankfurter Bürger. Er selber hatte Frankfurt 1815 in seiner frühen Jugend kennengelernt. Sein Vater Samson Heine nahm ihn mit, um nach dem Willen der Familie praktische Einblicke in den kaufmännischen Beruf zu erhalten. Heine zeigte sich nicht sonderlich interessiert und resümierte später in seinen Memoiren: „Doch ich lernte bey dieser Gelegenheit, wie man einen Wechsel ausstellt und wie Muskatnüsse aussehen.“

In seinem Kommentar auf die Denkmalsidee stellt er sich auf Goethe Seite und karikierte den Frankfurter Kaufmannsgeist:

Goethe ist ein großer Mann im seidenen Rock. Am großartigsten hat er sich noch kürzlich bewiesen gegen seine kunstsinnigen Landsleute, die ihm im edeln Weichbilde Frankfurts ein Monument setzen wollten, und ganz Deutschland zu Geldbeiträgen aufforderten. Hier wurde über diesen Gegenstand erstaunlich viel diskutiert, und meine Wenigkeit schrieb folgendes mit Beifall beehrte Sonett:

Hört zu, ihr deutschen Männer, Mädchen, Frauen,

Und sammelt Subskribenten unverdrossen:

Die Bürger Frankfurts haben jetzt beschlossen:

Ein Ehrendenkmal Göthen zu erbauen.

„Zur Meßzeit wird der fremde Krämer schauen“ –

So denken sie – „daß Wir des Manns Genossen,

Das Unserm Miste solche Blum’ entsprossen,

Und blindlings wird man Uns im Handel trauen.“

O, laßt dem Dichter seine Lorbeerreiser,

Ihr Handelsherrn! Behaltet euer Geld.

Ein Denkmal hat sich Göthe selbst gesetzt.

Im Windelschmutz war er euch nah, doch jetzt

Trennt Euch von Göthe eine ganze Welt,

Euch, die ein Flüßlein trennt vom Sachsenhäuser!

Der große Mann machte, wie bekannt ist, allen Diskussionen dadurch ein Ende, daß er seinen Landsleuten mit der Erklärung, „er sey gar kein Frankfurter“ das Frankfurter Bürgerrecht zurückschickte. Letzteres soll seitdem – um frankfurterisch zu sprechen – 99 Prozent im Werthe gesunken sein (…)

Heinrich Heine: Briefe aus Berlin 1822

Tatsächlich war Goethe am 9. Dezember 1817 auf eigenen Antrag aus dem Frankfurter Bürgerverband ausgeschieden. Einige Jahr nach Goethes Tod formierte sich 1837 ein neues Denkmalkomitee. Das Ergebnis steht heute auf dem Goetheplatz: das Goethe-Standbild von Ludwig Schwanthaler. Es wurde am 22. Oktober 1844 enthüllt und stellt in den vier Reliefen des Sockelbereichs einen bildungsbürgerlichen Kanon der Goetheschen Werke vor.

Relief mit einer Auswahl von Goethes Werken
Relief mit einer Auswahl von Goethes Werken

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Porträt von Heinrich Heine, gemeinfrei
Simone Pohlandt, Autorin

Simone Pohlandt

Autorin und Gästeführerin auf Heines Spuren

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